30. Juni 2016

Sportphysiotherapeut Oliver Herter im Interview: Über Fußprobleme, Lauftechnik und das richtige Schuhwerk

Nach ihrer Teilnahme an den Gewichtsreduktions- und Fitnesswochen hat unsere Kollegin Jessica ihren Coach Oliver Herter noch zu einem Interview gebeten. Oliver ist Chiropraktiker, Heilpraktiker, Diplomsportwissenschaftler und Sportphysiotherapeut und betreibt eine Praxis für ganzheitliche Therapie in Freiburg.

Welche Rolle spielen die Füße für einen gesunden Bewegungsapparat?

Die Füße spielen für den gesunden Bewegungsapparat eine große Rolle. Wenn man sich nur mal überlegt das man den ganzen Tag eigentlich auf den Füßen und Beinen unterwegs ist. Man hat in der Therapie heute häufiger den Anspruch, die Ursache eines Problems zu finden. Wir haben ja zum Beispiel oft Probleme an der Schulter, dem Rücken, den Beinen oder an der Hüfte. Da sind ganz häufig die Ursachen bei den Füßen zu finden, dort wo dann die Fehlbelastung stattfindet.

Wie kann man die Fußmuskulatur gezielt kräftigen und trainieren?

Die Fußmuskulatur hängt quasi mit dem Unterschenkel zusammen, das heißt, alles was Unterschenkel, vielleicht auch noch das Knie, Sprunggelenk oder den Fuß direkt ausmacht ist EIN Muskulaturkomplex. Trainieren kann man die Fußmuskulatur über Dinge wie Zehenstand, Fersenstand, im Außenrist oder Innenrist gehen, mit den Füßen eine Zeitung oder einen Softball knäueln - oder eben: barfuß gehen!

Welche Fußprobleme kommen bei deinen Patienten oft vor?

Meine Patienten haben ganz häufig Achillessehnen-Probleme, eine so genannte Achillodynie. Dann gibt es viele mit Fersensporn oder viele die Probleme mit einem Hallux Valgus haben. Was auch sehr häufig vorkommt, ist, dass das Fußgewölbe im Lauf der Lebensjahre einbricht. Das heißt, der Bänderapparat wird zu schlecht. Die Muskeln müssen halten - und das tun sie eben nicht, weil der Fuß nicht trainiert ist.

Klingt schmerzhaft. Und das ist dann alles darauf zurückzuführen, dass die Füße nicht genug trainiert und gekräftigt wurden?

Ja, das ist auch sehr schmerzhaft... Genau, es liegen häufiger muskuläre Dysbalancen vor: einseitige Muskelverhältnisse und einseitige Kraftverhältnisse. Beispielsweise wenn jemand immer mit High Heels läuft, gibt es eine verkürzte oder eine chronisch überdehnte Seite. Oder bei Männern, die häufig Businessschuhe tragen. Das ist so ziemlich das schlechteste, was es für die Füße gibt. Die Fußmuskulatur krampft und die Leute weichen dann auf die Außenseite aus. Das ist eigentlich der Anfang von ganz vielen Erkrankungen und Schmerzen.

Also sind die Schuhe tatsächlich ein wichtiger Faktor?

Ja genau, über die Schuhe hat man einen ganz großen Anhaltspunkt.

Spielt die richtige Lauftechnik eine Rolle in der Schmerztherapie?

In der Schmerztherapie - wenn jemand bereits Schmerzen hat - spielt es natürlich eine Rolle. Aber auch in der Prävention! Es ist immer ein ewiges Diskussionsthema: "Gibt es überhaupt die richtige Lauftechnik?", obwohl es dazu längst viele Untersuchungen und Studien gibt, die darauf hinwiesen. In der Schmerztherapie hatte ich vergangenes Jahr ein schönes Beispiel: Ein Mittelstreckenläufer, der den Halbmarathon als Obergrenze hatte, hat seine Knieprobleme damit wegbekommen. Ganz deutlich war, dass er einen ungleichen Abrieb an der Schuhsohle hatte. Selbst nachdem die Schmerzen im Ruhezustand einigermaßen weg waren, spürte er sie unter Belastung immer noch. Also sind wir zusammen laufen gegangen und ich konnte sehen, dass er einfach einen ganz schlechten Laufstil hat. Der Oberkörper hing nach vorne, das Knie musste alles abfangen, also eine Mehrbelastung. Dank aufrechtem Gehen waren letztendlich die Knieprobleme auf einmal weg.

Welche Lauftechnik empfiehlst du also?

Bezüglich Mittelfuß und Vorfuß gebe ich eigentlich weniger Empfehlungen. Was ich wichtig finde, ist eben der aufrechte Laufstil. Englische Wissenschaftler arbeiten gerade daran, den Unterschied herauszustellen, warum bei uns so viele Leute Probleme haben mit dem Bewegungsapparat und der Urmensch nicht. Es gibt zwei Indizien: Zum einen der völlig aufrechte Laufstil und zum anderen das weiche Abfangen der Gelenke in der Landephase beim Laufen.

Was zeichnet gesundes Schuhwerk aus?

Gesundes Schuhwerk sollte so viel Komfort wie nötig bieten und den Fuß so viel wie möglich arbeiten lassen. Es ist für mich ein Trainingsmittel. Wenn ich den ganzen Tag in einer Firma unterwegs bin, dann sollte ich vielleicht einen Schuh haben, mit dem ich durchaus Bodenkontakt habe und mit dem ich auch mal ein bisschen "fühlen" kann. Dann sollte man allerdings in der Freizeit mit anderen Schuhen variieren. Beispielsweise könnte man auf Asphalt einen Laufschuh benutzen, der ein bisschen abfedert und beim Training Barfußschuhe. Mit diesen wird einfach die Fußmuskulatur optimal trainert, was auch eine Leistungssteigerung bedeutet. Oder man verzichtet gerade auch mal ganz auf die Schuhe. Bei Tau über einen Fußballrasen, durchs Unterholz oder über große Steine zu laufen sind ganz spannende Gefühle.

Kann das Tragen von Barfußschuhen und der entsprechende Laufstil Abhilfe schaffen bei gesundheitlichen Problemen?

Ich glaube, dass Barfußschuhe auf jeden Fall ein super Hilfsmittel sind als Trainingselement. Ich kenne das auch vom eigenen Training: Wenn ich mit den Barfußschuhen im Wald unterwegs bin, ist das ein ganz eigenes Gefühl, der Fuß muss unglaublich viel arbeiten. Man denkt sich, wenn man auf eine Wurzel tritt zuerst "Oh, das wird sicherlich weh tun." Das tut es aber gar nicht, weil der Fuß selbst abfedert. Das ist wirklich Laufen PUR! Etwas, was wir verlernt haben und was deshalb wieder dazukommen muss, um sämtliches Training und damit auch die Belastbarkeit des Bewegungsapparats zu verbessern.

Wir bedanken uns bei Oliver für das Interview!

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