12. April 2018

„Hör auf deinen Körper. Er macht nichts, um dir zu schaden“ – Interview mit VIVOBAREFOOT Headcoach Per-Olof De Marco

Per-Olof alias Pelle De Marco ist VIVOBAREFOOT Headcoach. Zusätzlich arbeitet er als Pflegeleiter in einer Achtsamkeitsklinik, Fitnesstrainer sowie Stress- und Mentalcoach. VIVOBAREFOOT-Auszubildende Melanie hat Pelle für unser Magazin zu seinem Werdegang und seinen Erfahrungen als Barfuß-Coach befragt. Dabei hat sie nützliche Anfänger-Tipps und Empfehlungen zum Barfußlaufen bekommen.

Was ist Barfußlaufen für dich?

Barfußlaufen, also Joggen, ist für mich eine direkte Rückkehr zu meinen Wurzeln im doppelten Sinne: Ich laufe über den Körperteil, der meine Basis, meine Wurzeln bildet. Gleichzeitig fühle ich beim Laufen im Wald etwas Archaisches. Etwas, das keiner Worte bedarf. So, als wär ich wie in Urzeiten auf der Jagd. Nur dass ich nichts erlege.

Wie bist du zum Barfußlaufen gekommen?

2010 hatte einen befreundeten Arzt gefragt, welche Schuhe er mir empfehlen könne. Ich brauchte neue Sportschuhe. „Hol dir bloß nichts mit Dämpfung. Ich kenne da was viel besseres“ antwortete er und bestellte mir meine ersten Vivos. Den Evo Running. Die Firma hieß da noch Terra Plana. Sobald der Muskelkater rum war, war ich angefixt.

Wie bist du zum Coach geworden?

Ich machte mein IST-Diplom als Sport- und Fitnesstrainer. Durch meine jahrzehntelange Erfahrung im medizinischen Bereich ging das recht zügig. 2013 durfte ich dann bei Lee Saxby in London meine Barfuß-Coach-Ausbildung abschließen und gab im gleichen Jahr die ersten Kurse für den deutschen Markt.

Ich bin noch nicht lange dabei, worauf sollte ich beim Tragen von Barfußschuhen achten?

Auf alle Signale, die dein Körper dir rückmeldet. Die Jahrzehnte in konventionellen Schuhen haben deine Füße deutlich geschwächt und es dauert – da bin ich ganz ehrlich – Jahre um sie wirklich dahin zu bekommen, dass sie ein gleichwertiges Glied in einer Kette werden.

Es ist keine Challenge. Es ist kein neues Abenteuer, das bestanden werden muss. Lass es ganz gemütlich angehen, weil es nur die Rückkehr zu etwas Natürlichem ist. Bei der Reihenfolge des Trainings hat sich Stehen, Gehen, Laufen bewährt. Also erst mal die Barfußschuhe oder die Barfüßigkeit im Alltag erleben und die Fußmuskulatur langsam gewöhnen.

Dann kannst du nach einer gewissen Zeit vorsichtig mit dem Laufen beginnen. Ein Coaching ist meines Erachtens für längere Distanzen unabdingbar, also wenn du regelmäßig mehr als 7 km läufst.

Was ist beim Laufen in Barfußschuhen anders?

Der Bewegungsablauf beim normalen Joggen ist im Kleinhirn abgespeichert und wird beim Barfußlaufen angepasst. Die Wadenmuskulatur bekommt viel mehr zu tun und auch die Körperhaltung ist eine andere. Die Schritte werden kleiner und die Füße kommen weiter unter dem Körper an. Dies ist grundlegend anders als beim Joggen.

Auch andere Methoden wie Pose oder Chi-Running sind nicht hundertprozentig geeignet, um barfuß zu laufen. Sie alle stellen das Nach-vorne-Lehnen in den Vordergrund. Das lehren wir in den Kursen in Köln und der Barefoot Academy in Düsseldorf anders: Der Körperschwerpunkt gehört nach vorne, aber dies erfordert kein aktives Lehnen. Es ist eher ein leichter Zug aus der Brust heraus, die Körpermasse bleibt aber über den Füßen gestapelt. Eine ständige Vorlage führt zu einem Abknicken der Hüfte mit langfristiger Überanstrengung des langen Rückenstreckers sowie der Nackenmuskulatur.

Welche Vorteile hat Barfußlaufen ganz allgemein?

Erdung, mehr Gefühl für die eigene Stabilität. Ein besseres Gefühl für die Lage im Raum (Propriozeption). Eine Rückkehr zu mehr Natürlichkeit. Das Entweichen von elektrischer Spannung (kein Scherz). Gesunde Füße und und und…

Gibt es Personen, denen du vom Barfußlaufen abrätst?

Menschen, die möchten, dass ich sie vom Barfußlaufen überzeuge, schließe ich aus. Eigenmotivation muss schon vorhanden sein. Diabetiker sollten nicht komplett barfuß gehen. Mögliche Neuropathien könnten für nicht empfundene Verletzungen sorgen und Wundheilungsstörungen könnten die Folge sein. Von Barfußschuhe dagegen profitieren Diabetiker deutlich.

Was empfiehlst du Menschen mit Krankheiten wie Hallux Valgus, Senkspreizfuß, Fersensporn oder Achillessehen-Entzündung?

Wenn diese Erkrankungen vorhanden sind, empfehle ich die Abklärung mit einem aufgeschlossenen, frischen Arzt. Einen Sportmediziner zum Beispiel. Ich übernehme nicht die Arbeit medizinischen Personals. Ich glaube an das Barfußlaufen. Aber ich glaube auch an unser Gesundheitssystem. Ich erlebe tagtäglich in diversen Foren, wie die Wissenschaft schlecht geredet wird und alle als Stümper über einen Kamm geschert werden. Viel wichtiger ist es aber, Ärzte mit an Bord zu holen. Dass wir Vertrauen haben und sie fragen, was sie davon halten. Viele Ärzte sind dem Barfußlaufen zugeneigt. Und wenn sie zur Mäßigung aufrufen, stimme ich ihnen völlig zu. An der konventionellen Schuhindustrie kann ich weniger Gutes lassen.

Was ist deine wichtigste Botschaft aus deinen Kursen?

Hör auf Deinen Körper. Er macht nichts, um dir zu schaden.

Was bedeutet dir die Zusammenarbeit mit VIVOBAREFOOT?

VIVOBAREFOOT ist und bleibt die Speerspitze der Barfußbewegung. Seit 2003 ist VIVOBAREFOOT konsequent im Design ihrer Schuhe und, wie ich weiß, stark am Thema Nachhaltigkeit beteiligt. In meinen Träumen laufe ich aber schon mal mit Konkurrenz-Produkten herum und werde dann schweißgebadet wach. (lacht laut)

Ich fühle mich durch die jahrelange Zusammenarbeit mit VIVOBAREFOOT in meinem Tun unterstützt, wertgeschätzt und als ein Teil der Vivo-Family. Alle sind mit Herzblut bei der Sache und meine Rückmeldungen zu den Schuhen werden gehört.

Was ist dein Lieblingsschuh von VIVOBAREFOOT?

Der Opanka, dann kommt ganz lange nichts, dann der Tigray, der Primus Trail FG

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